Ein kleines Schneiderlein

Zwischen langen Bahnen Stoff, Kleber an den Händen und Tüll im Haar sitze ich oft mit Entwürfen und Schnitten auf dem Schoß am Boden und denke mir "Was hab ich bloß getan?"

Heute schreibe ich über mein Studium. Nicht wieviel ich bisher lernen durfte, wie "wunderbar" meine Uni ist, sondern einfach, auf was man sich einlässt, wenn man Modedesign studiert. Mich haben immer mal wieder Leute gefragt, was genau passiert, wenn man dieses schöne, unvernünftige Studium antritt.

"Ich wollte schon immer Modedesign studieren", ist wahrscheinlich der meist gesagteste Satz eines angehenden Mode Studenten, gleich nach "Ich gehe gerne shoppen!". Keines Falls die schlechtesten Vorraussetzungen, allerdings nicht die ganze Wahrheit. "Ich hatte keinen Plan B" und "Mode ist eben das, was ich kann und bin" trifft es in meinem Fall.


Making Off von meinem ersten richtigen Shooting "Salt&Pepper"

Ich studiere jetzt im sechsten Semester an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin. Keine Ausbildung vorher, einfach nur der Wille, endlich meinen Platz in dieser bunten Welt zu finden.
Und dann ging los. Nach einem Auswahlverfahren, Mappenprüfung und persönlichem Gespräch zog ich mit Sack und Pack nach Berlin. Vom Dorf in die City.

Das erste Semester war dann "Welcome to Reality". Mode ist mehr als schicke Röcke auf dünne Models zu zeichnen oder davon zu träumen, wie alles wohl im echten Leben aussehen würde. Ohne geradeaus nähen zu können, ohne Ahnung von Stoffen, Garnen oder irgendwas anderem Relevanten entstand mein erstes Outfit. Selbst erlernt. Und darum geht es auch eigentlich: Keiner schenkt dir was, mach es selbst. Trendresearch und Präsentationen zu Modethemen wurden uns näher gelegt, wichtig für die Zukunft. Erstes Semester geschafft und ich dachte das werde ich schon durchhalten bis zum Bachelor.





Photocredit: Larissa Stutzer // Models: Marius Dillmann, Yvonne Kraft

Das zweite Semester war das Semester der Prüfungen. Zwar eher als Zerreißprobe für sämtliche Nerven und Freundschaften, aber auch für die untalentierte Chemikerin in mir. Wer hätte gedacht, dass ich mir nach drei Jahren erfolglosem Chemie Unterricht nochmal über irgendwelche Zusammensetzungen von Stoffen mein Gehirn verdrehe. Kennt ihr dieses ungute Gefühl, dass einen beschleicht, wenn alles zu viel wird und man sein Leben an einem vorbei ziehen sieht. Genauso ging es mir in "Textilen Werkstoffe", wenn wir mit einer Lupe Fäden zählen sollten und meine Zahl nur 89 Fäden von der richtigen Antwort entfernt war. Close enough. Geschichte ist ebenfalls wichtig, die alten Griechen hatten wirklich für jeden Wickel einen Namen und Marie Antoinette hat in ihrem Korsett wahrscheinlich nur halb soviel Luft bekommen, wie wir heutzutage. Das Hauptprojekt (Umsetzung eines Entwurfs, von der Zeichnung bis zum Design und Fotoshootings) setzten wir in Teamarbeit um. Ich danke meiner guten Freundin Harry noch jetzt, dass wir immer noch Freunde sind. Hut ab vor allen Designteams. Es ist eine wirklich eine Zerreißprobe.


Das dritte Semester konnte ja eigentlich nicht noch schlimmer werden. Ich hatte die Rechnung ohne die Strickmaschinen gemacht. Es kann eigentlich nur der Teufel selbst gewesen sein, der diese Dinger erfand, um Leute zu nerven. Gerade immer dann, wenn ich dachte ich habe den Dreh raus, riss mein gestricktes Etwas ins Bodenlose. Dafür kann ich sagen, dass ich das erste Mal zufrieden mit meinem Outfit war. Sportswear gab mir das Gefühl, Design zu studieren ist doch das Richtige. Zudem hatte ich die Chance ein paar Bachelor Studenten kennen zulernen und ihre Show mit zu organisieren. Es macht Mut zu sehen, dass auch jedem etwas wird. Eine Absolventin hat ihr eigenes Label, die andere reist noch durch die Welt, ohne genaues Ziel, die dritte ist weggezogen, studiert nochmal. Es ist nicht wichtig etwas mit Mode zu machen am Ende, sondern dass man Etwas aus sich macht. Okay, jetzt erzähle ich doch, was ich gelernt habe, aber es ist wohl auch die wichtigste Lektion. Der Abend oder besser gesagt die Nacht vor der Abgabe von unserem Outfit, Lookbook, sämtlichen Skizzen und Entwürfen war eine der emotionalsten meines Lebens und meine gesamte Wg fühlte mit mir. Um 10 Uhr morgens war es dann geschafft. Ich bestand das Semester und kam in die nächste Runde.




Photocredit: Franz Becker // Hair&Makeup&Assitent: Klara Klinger // Model: Laetitia Au

Anfang des vierten Semsters dann erkannte ich, dass es alles immer Ansichtssache ist und ich wünschte mich zurück ins dritte Semester. Der Erwartungsdruck stieg, die Konkurrenz sowieso und die Lästereien logischerweise auch. Wir sind knapp 35 Frauen und drei Männer. Was eine Schlammschlacht ist, sowohl untereinander als auch mit Dozenten, kann hier jeder definieren.
Mein Highlight war der "Print Unterricht". Entspannt, kreativ und endlich etwas, bei dem auch gröbere Menschen richtig sind. Nebenbei lernten wir mehr über Social Media, Management, Fashionshows und Shootings, Schnitte und Drapierung. Vollgepackt mit all diesen Eindrücken sucht man sich parallel auch noch ein Praktikum. Hört sich genauso stressig an wie es war.
Ich hatte großes Glück recht bald einen Praktikumsplatz bei der InStyle zu bekommen (wie es war lest ihr hier!). Und so zog auch das vierte Semester vorbei. Ich kreierte meine erste Unisex Kollektion, wir shooteten, stellten unsere Projekte vor und dann trennten sich alle unsere Wege für das fünfte Semester, das Praktikum. 




Photocredit: Patrice Brylla // Hair&Makeup: Kenneth Dörr // Models: Anna, Alex, Alice

Jetzt bin ich schon im sechsten Semester, meinem letzten richtigen halben Jahr an der Uni. Komisches Gefühl und zugleich habe ich eigentlich nicht mal zeit darüber nach zudenken, denn auch dieses Jahr stehen wieder viele Projekte an. Wir designen dieses Mal in Teams für die Firma Falke eine Kollektion ganz in Blau. Mein Portfolio, neue Print Projekte und Vorträge warten schon auf mich. 

Wichtig ist eigentlich nur eins; Wenn ihr euch entscheidet Modedesign zu studieren, wartet nicht, tut es einfach. Denn was ich gelernt habe, wussten andere schon länger, manche werden es nie lernen und der Rest lacht drüber.

Für alle, die jetzt auch Lust bekommen haben oder kurz vor der Entscheidung stehen oder jemanden kennen, der es tut kommen hier noch kurz ein paar der Unis, bei denen ich mich ebenfalls beworben hatte/es vor hatte:

Hochschule Technik Wirtschaft Berlin (meine UNI)
Kunsthochschule Weißensee
Hochschule Trier
HAW Hamburg
Liebst, Susi

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